Wir sind noch immer in der Provinz Córdoba unterwegs. Nach einer Nacht auf dem Parkplatz des Hospitals am Rande des Städtchens Mina Clavero geht’s am nächsten Morgen in das naheliegende Örtchen Nono. Wir nehmen einen Abzweig über eine 5 km staubige Schotterpiste ins Hinterland, und nachdem wir uns schon überlegt haben, nicht doch wieder umzukehren, stehen wir vor Einem, den wir hier am allerwenigsten erwartet hätten, Albrecht Dürer. Uns Albrecht, der mit Abstand bekannteste Zögling unserer Heimatstadt Nürnberg, steht in Übergröße und äußerst gutaussehend als Statue vor uns und blickt über den staubigen Parkplatz des Museums „Rocsen“. Neben ihm stehen noch weitere 48 Persönlichkeiten der Weltgeschichte von Archimedes und Leonardo da Vinci, über Einstein, Mutter Theresa, Kepler bis zu Edison und Gandhi. Der Bretone Jean-Jaques Bouchon eröffnete hier vor über 40 Jahren dieses Museum mit dem Grundsatz „Der ganze Mensch für alle Menschen“ und hat die Sammlung über die Jahrzehnte ordentlich wachsen lassen. Es ist mehr die Halle eines „Messi“, Einem, der allesmögliche sammelt und sich von nichts trennen kann. Diese Sammlung des „Vielseitigen Museums“ ist allerdings wirklich sehenswert, wenn man auch Tage benötigen würde, um alles Interessante etwas näher zu betrachten. Für Claudia ist der Raum mit den alten Druckmaschinen aller Art interessant, während ich mehr Zeit in der Werkstatt mit ein paar Oldtimern verbringe. Es bringt nun nichts, aufzuzählen was man hier alles besichtigen kann, leichter wäre es wohl zu erwähnen, was es hier nicht gibt. Die Bilder geben sicher einen besseren Einblick ins außergewöhnliche Museum Rocsen.
Diesmal nehmen wir die Straße südöstlich der Mennonitensiedlung, zweigen bei einem kleinen Dorf namens „Perú“ in die staubige Schotterpiste ab und erreichen nach knapp 40 km den ersten von insgesamt 9 Campos der Colonia „la nueva Esperanza“, was soviel heißt wie „neue Hoffnung“. Die Campos weisen alle die gleiche Struktur auf und es sieht ungefähr so aus, als wenn jedem die gleiche Größe Land zugwiesen wurde und man dann in Gemeinschaftsarbeit ein großes Haus – die Familien haben im Schnitt 10 Kinder - errichtet hat. Die älteren Einwohner beäugen uns sehr mißtrauisch, während die Kinder schon eher auf uns zukommen und Fragen stellen. Aber auch bei den Erwachsenen bricht das Eis (ein wenig!), wenn ich auf sie zugehe und sie etwas frage. Und dann kommt immer „wo kümmts her? – ut Dietschlond sits jekümme? Es wiet“. Oft scheitert die Kommunikation aber dann doch an unseren schlechten Plautdietsch-Kenntnissen. Und – überraschenderweise – die Mennoniten sprechen meist kein Spanisch. Hier mal ein paar Stunden zu verbringen gibt einem das Gefühl, einen Ausflug in die Vergangenheit zu machen. Wir fahren ganz langsam durch alle 9 Campos und werden überall ungläubig gemustert. Das Hauptverkehrsmittel hier ist die Pferdekutsche. Männer tragen Latzhose, kariertes Hemd und Hut oder Schirmmütze, die Frauen sind in altmodischen Kleidern unterwegs. Auch sie tragen Hut oder Kopftuch, denn Kopfbedeckung ist Pflicht. In Kolonie 2 fragen wir dann das Oberhaupt einer Mennonitenfamilie, ob wir vor seinem Grundstück auf der Straße übernachten dürften. Es dauert einige Zeit, bis ich ihm klar machen kann, was ich da genau von ihm will. „Nee nee, es tjeen Problem“. Bei Einbruch der Nacht ist auch die Kolonie in vollkommenes Dunkel getaucht. Strom gibt es hier nicht. Musik und Tanz ist total verpönt, nur in der Kirche darf gesungen werden. Am nächsten Morgen wollen wir noch Käse aus der Produktion der Mennoniten kaufen und suchen nach einem Laden. Da der „Supermarkt“ nicht als solcher zu erkennen ist, finden wir ihn nur nach mehrmaligem Nachfragen im Campo 5. Wir kaufen Käse und Brot und sind überrascht, daß hier auch Genußmittel wie Kaffee, Schokolade und sogar Coca Cola verkauft werden. Das ist für die Mennoniten aber sicher „offiziell“ verboten und muß wohl für uns Besucher sein. Für uns ist der Aufenthalt im „la nueva Esperanza“ aber jetzt zu Ende und wir begeben uns wieder zurück in die Gegenwart und auf die lange Schotterpiste, übernachten noch eine Nacht in Perú und dann geht’s weiter in Richtung Süden. Die Landschaft auf unserem Weg zur Halbinsel Valdes macht ihrem Namen „La Pampa“ alle Ehre und bietet nur triste Steppe. Vorteil: die schnurgeraden, sehr wenig befahrenen Straßen lassen uns zügig vorankommen. Hin und wieder wird das Straßenbild von Guanakos, reitenden Gauchos oder von einer Ansammlung an roten Fahnen aufgelockert. Meist neben einem Schrein platziert wird hier einem argentinischen Volksheiligem gehuldigt. „Gauchito Gil“ ist der Schutzpatron der LKW-Fahrer, und diese stellen ihm dann schon mal ein kleines Geschenk in Form von Wasserflaschen, Reifen oder Radkappen zur Seite, um im Gegenzug unter seinem Schutz gesund das Ziel der Fahrt zu erreichen. Endlich erreichen wir wieder die Atlantikküste Argentiniens und stoppen im Ort „Las Grutas“, da wir uns hier mit Martina und Lothar verabredet haben, um dann gemeinsam nach Valdes zu fahren. Die Beiden haben aber noch ein kleines Problem am Auto und müssen ihre Ankunft um einen Tag verschieben. Zwischenzeitlich treffen wir an der Strandpromenade auf die Norddeutschen Anke und Wolfgang. Kaum das wir uns begrüßt haben, sitzen wir schon am großen Tisch in ihrem riesigen MAN-Mobil und werden mit Fleischküchle, Rotkohl und Kartoffeln verwöhnt. Der Stellplatz bei den Dünen ist relativ windgeschützt, liegt oberhalb der Klippen mit tollem Meeresblick und sogar jede Menge Felsenpapageie nisten hier. Endlich sind wir alle zusammen und so fällt uns die Entscheidung nicht schwer, hier noch 2 Tage zu bleiben, bevor wir dann aber endgültig nach Valdes aufbrechen. Zuvor werden aber im Supermarkt von Las Grutas unsere Nahrungsmittel-Bestände noch ordentlich aufgefüllt. Grober Plan ist, rund 2 Wochen an der Playa Pardelas zu stehen, um genügend Zeit zum Beobachten der Wale zu haben. Zwischen Mai und Dezember treffen sich hier Hunderte von Glattwale zur Paarung und um ihre Jungen zu gebären. Und Pardelas ist einer der besten Spots, an denen wir bisher gestanden sind. Das Felsplateau geht etwa 5 Meter über dem Meeresspiegel flach ca. 100 Meter ins Landesinnere. Und da das Meer am Rande des Plateaus gleich relativ tief abfällt, kommen die Wale sehr nah an die Kante heran. Etwas überraschend bei unserer Ankunft ist, daß kein weiteres Mobil auf Pardelas steht, dachten wir doch, während der Wal-Hauptsaison müsste hier Einiges los sein. Uns soll es recht sein und wir postieren uns einigermaßen windgeschützt am Anfang des Plateaus leicht erhöht auf einem Felsen. So sind wir auch bei stürmischem Wetter vor den Wellen geschützt. Aber aktuell paßt das Wetter! Die Sonne scheint und die ersten Wale springen in der Bucht, so in etwa haben wir uns das vorgestellt. Gemeinsam genießen wir die Tage bei Sonne und nicht allzu starkem Wind. Kurzzeitig kommen doch noch der ein oder andere Camper nach Pardelas, und als dann auch noch Silvia und Beat aus der Schweiz eintreffen, ist die große Travellerfamilie komplett. Einerseits hatten wir zwar gerade jetzt im September mit einer größeren Anzahl an Walen gerechnet, aber wir sind trotzdem zufrieden mit dem täglichen Besuch der großen Meeressäuger in der Bucht von Pardelas. Nach ein paar Tagen schlägt das Wetter um und die Temperaturen lassen unsere Heizungen öfter laufen als gedacht. So müssen wir mal kurz in den Hauptort von Valdes, nach Puerto Piramides, fahren, um unsere Gasflaschen wieder zu füllen. In so kleinen Dörfern ist natürlich nur eine Befüllung per Flasche-zu-Flasche möglich und es vergehen knapp 3 Stunden, bis wir insgesamt 3 leere 11-kg Flaschen wieder aufgefüllt haben. Das Wetter wird nicht besser, sondern es wird stürmisch und fängt nun auch noch an zu regnen. Während die anderen Traveller Pardelas schon verlassen haben, wollen wir gemeinsam mit Martina und Lothar hier noch ein paar Tage ausharren. Dann wird es uns doch zu ungemütlich, den ganzen Tag im Mobil hocken und den Regen und die stürmischer gewordene See zu beobachten. Wir entscheiden uns also zur Abfahrt und machen uns ob der matschigen Auffahrt beim Ausgang der Bucht etwas Sorgen. Einer göttlichen (Lotharschen-) Eingebung folgend lassen wir Martina und Lothar mal den Vorzug beim Erklimmen des matschigen Hügels. Als wir sehen, wie schon deren MANni zu kämpfen hat, ist uns schon fast klar, daß wir da wohl alleine nicht hochkommen. Schließlich hängen wir mit dem Heck in der linken Seite des Hanges und die Reifen drehen auf der Schmierpiste durch. Mit Lothars Abschleppseil ist es dann aber kein Problem und wir sind schnell wieder aus unserer misslichen Situation befreit. Während Martina und Lothar sowie Anke und Wolfgang noch ein paar Tage an der Playa Pardelas verbringen wollen, verlassen wir Valdes wieder und parken erst mal außerhalb des Nationalparks an der Playa Doradilla. Zum einen hab ich mir nun doch noch eine Erkältung zugezogen, die es gilt auszukurieren, zum anderen treiben sich hier in Doradilla weitaus mehr Wale herum als auf Valdes. Sind schon die ersten drei Tage hier sehr beeindruckend, begeistert uns der vierte und letzte Tag bei Doradilla vollends. 9 Mutterkühe samt ihren Kälbern geben sich gleichzeitig die Ehre und schwimmen, springen und tummeln sich im Wasser in absoluter Strandnähe – ein unvergesslicher Abschluß für uns.
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