Nach 4 Tagen in Canoa Quebrada brechen wir auf in Richtung Jericoacoara und übernachten auf halber Strecke beim Ort Flecheiras. Wir finden am Ortsrand eine Parkbucht und spazieren am Strand entlang. Näher am Ortskern ist der Strand dann auch ziemlich gut besucht, Fußball wird gespielt, einige Fischerboote, zahlreiche Spaziergänger und die Abendsonne genießende Touristen. Und mitten drin stehen da zwei Stühle, auf die Mia schnurstracks zuläuft, …..und vor den beiden Personen, die darauf sitzen, stehen bleibt. Wir können es kaum glauben, sitzen da doch Izabel und Walther, die beiden deutschstämmigen Brasilianer, die wir in Arapey kennengelernt und dann mehrfach in Arapey oder Novo Hamburgo wieder getroffen haben. Eigentlich wohnen sie gut 4.000 km südlich im Bundesstaat Rio Grande do Sul, machen aber hier gerade Urlaub in einem Haus direkt am Strand von Flecheiras. Die Beiden sehen unsere Mia, erkennen sie sofort und suchen schon den Strand nach uns ab. Was für eine tolle Überraschung. Wir verbringen zwei schöne Tage mit den Beiden, wobei sich auch Mara und Claudio noch einfinden, die spontan von Walther mit uns zum Grillen eingeladen werden.
An der nördlichen Küste im Bundesstaat Ceara gibt es eine riesige Dünenlandschaft. Eine der wenigen Ortschaften in diesem Nationalpark ist Jericoacoara. Um den Ort zu besuchen parken wir auf einem Campingplatz im 15 km entfernten Jijoca, da man uns erzählt hat, man kommt nur mit Allrad-Fahrzeugen nach Jeri. So mieten wir uns gemeinsam mit Mara, Claudio und anderen Camping-Gästen eine Tour in einem Toyota Hilux. Während die anderen Passagiere auf der Ladefläche sitzen, bin ich nicht unglücklich darüber, mit Mia im klimatisierten Innenraum des Fahrzeugs die Tour genießen zu dürfen. Vorbei an zahlreichen Süßwasserlagunen, riesigen Dünengebieten und ausgetrockneten Mangrovenfeldern geht es am Nachmittag in das Dorf Jericoacoara, das bei den Brasilianern ein erkennbar beliebtes Ausflugsziel ist, kommen doch täglich zu den dort in Hotels wohnenden Touristen noch Tausende in Pickups und Bussen in den Ort. Und obwohl es hier extrem touristisch zugeht, hat der Ort eine entspannte und coole Atmosphäre mit unzähligen Bars und Restaurants, die zum Verweilen einladen. Wir bleiben in einer der Bars, während eine Vielzahl der Touristen zur „Duna do Por do Sol“ (Sonnenuntergangsdüne) wandert, um von dort den Sonnenuntergang zu erleben.
Die Fahrt ins Parnaiba Delta gestaltet sich schwieriger als gedacht. Mara und Claudio wollten uns eigentlich dorthin begleiten, brechen aber wegen dem schlechten Zustand der Straße nach einigen Kilometern ab und entscheiden sich, nicht weiter in den Norden zu fahren, sondern die Heimreise anzutreten. Die Routa 402 ist so dermaßen von vielen, tiefen Löchern gekennzeichnet, daß wir die 200 km nicht an einem Tag schaffen und noch eine Tankstelle aufsuchen, um dort zu übernachten. Am nächsten Tag erreichen wir dann am Mittag den kleinen Ort Tatus und Claudia probiert, noch für den Nachmittag eine Bootstour durch das Delta zu organisieren. Eigentlich ist alles ausgebucht, doch eine Kioskbesitzerin aktiviert ihren Sohn, der sich bereit erklärt, uns Drei in das Parnaiba-Delta zu fahren. Gemütlich geht es dann durch diverse Abzweigungen des Flusses vorbei an Mangrovenwäldern und zahlreichen Sanddünen. Nach einer längeren Badepause an der Ilha do Caju geht’s zur eigentlichen Attraktion dieses Ausfluges. Wir erreichen kurz vor 17 Uhr eine kleine Insel namens „Ilha dos Guaras“ und stoppen ca. 100 Meter davor an einem Seil, das eine Grenze für die Besucherboote darstellt. Vier Boote sind schon da, ca. 15 Boote sind es dann punkt 17 Uhr. Noch ist alles unscheinbar. Die kleine Insel besteht aus ein paar Bäumen, allesamt mit schönem, grünem Blätterwald. Dann kommen die ersten Guaras, eine rote Ibis-Art, auch schon angeflogen. Von allen Seiten kommen nach und nach einzelne Schwärme, um sich auf den Bäumen der Insel niederzulassen. Und nach gut einer Stunde strahlt die Insel in knalligem Rot! Wirklich eine spektakuläre Szenerie, die sich hier tagtäglich zum Sonnenuntergang wiederholt. Der zweistündige Heimweg gestaltet sich dann etwas aufregender, da unser junger, unerfahrener Bootsführer ziemlich langsam durch die Kanäle streift und es schnell dunkel wird, also stockdunkel. Er sieht wie wir alle nahezu nichts mehr. Obwohl er vorsichtig fährt, bleiben wir irgendwann mitten im Fluss auf einer Sandbank stecken und der junge Mann wird meganervös. Kurze Zeit später kommt ein anderes Boot vorbei und gibt ihm ein paar Tipps. Der Junge springt ins Wasser und zieht das Boot wieder in tiefere Gefilde. Mit unseren Handy-Lampen versuchen wir nun einen Hauch von Licht auf die Wasseroberfläche zu bringen. Schließlich kommen wir ziemlich spät zurück zum Wohnmobil, sind aber sehr zufrieden von diesem interessanten Ausflug.
Bei den hiesigen Straßenverhältnissen sind kurze Etappen angesagt. 135 km geht es heute bis nach Tutoia, einer kleinen Stadt im Bundesstaat Maranhao mit einem schönen Strand. Am Abend gesellen sich dann noch Ladina und Marvin zu uns. Das junge, schweizer Pärchen reist durch Südamerika in einem VW-Bus und hat aktuell dieselbe Route wie wir auf dem Plan, nur halt deutlich schneller. So sind sie schon kurz nach dem Frühstück in Richtung Barreirinhas aufgebrochen, wo wir sie am Abend wieder treffen wollen. Barreirinhas liegt am Eingang des Nationalparks Lencois Maranhenses, einer riesigen und einzigartigen Wüstenlandschaft an der Küste. Auf dem Weg dahin durchqueren wir noch den „kleinen“ Ausläufer dieser Wüste, den „Pequenos Lencois Maranhenses“. Schon hier erkennt man aber das Spezielle dieser Landschaft. Viele kleine Lagunen durchziehen das Dünengebiet und geben ein grandioses Bild ab. Da lohnt es sich doch glatt, mal wieder die Drohne auszupacken.
In Barreirinhas parken wir auf dem Parkplatz eines Hotels und nach dem Frühstück bricht Claudia mit Ladina und Marvin zu einer Hilux-Tour in den Nationalpark der Lencois Maranhenses auf. Ich habe diesmal keine Lust auf diese Jeeptour und bleibe in der Hitze bei Mia am Mobil. Claudia kommt am Abend ziemlich platt von der Tour zurück, ist aber von den Eindrücken des Tages schwer begeistert. Wir entscheiden uns daher spontan, gleich für morgen einen Flug mit einer Cessna über die Dünenlandschaft zu buchen und das Hotel vermittelt uns für den nächsten Nachmittag den Piloten. Am Abend gehen wir noch in ein tolles Restaurant direkt am Fluss und haben gemeinsam mit unseren jungen Schweizern ein absolutes Feinschmecker-Dinner. Camaroes in Ananas mit leckeren Beilagen…. haben wir eigentlich schon mal erwähnt, daß uns Brasilien immer mehr ans Herz wächst?
Die Cessna hat wohl schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel und sieht von außen deutlich vertrauenswürdiger aus, als von Innen. Dafür ist der Pilot umso jünger und die Aussage des lustigen Vogels, er freue sich schon auf seinen ersten Flug überhaupt, war natürlich ein Scherz. Die ersten Minuten in dem Kleinflugzeug sind da schon eher beunruhigender Natur. Die Türen lassen sich nicht verschließen, die Bordinstrumente sind kaum lesbar und die Schieber, an denen der Pilot dauernd zieht machen den Eindruck, als wenn er sie jeden Moment komplett in der Hand halten würde. Aber dann entspannen wir uns immer mehr und sind echt begeistert von dem Anblick dieser Landschaft aus der Vogelperspektive. Das Wasser in den Lagunen steht übrigens nur ein paar Monate im Jahr. Dann trocknet es aus und erst in der nächsten Regenzeit füllen sich die Löcher wieder mit Wasser und erwecken das neue Leben der kleinen Fische, die noch vor der Austrocknung als Eier im Sand ablegt wurden. Unser Pilot fragt uns breit grinsend beim Rückflug, ob wir gern die etwas abenteuerlichere Flugvariante haben möchten... wir schauen uns die Maschine nochmals genauer an und lehnen dankend ab. Die knapp 170 EUR für den 30-minütigen Flug haben sich jedenfalls mehr als gelohnt.
Noch haben wir gut 5 Wochen Aufenthaltserlaubnis für Brasilien, entscheiden uns aber trotzdem, schon jetzt den Weg nach Süden anzutreten und den geplanten Besuch von Sao Luis zu streichen. Wir wollen auf den 3.500 Kilometern nach Corumba, der Grenze zu Bolivien, ja auch noch einige Punkte in Ruhe besuchen und brechen am nächsten Morgen auf zu unserem ersten Etappenziel, Palmas im Bundesstaat Tocantins. Ganze 5 Tage, mit Zwischenstopp in Lajeado, sind wir unterwegs bis ins 1.300 km entfernte Palmas, was aber auch an einem eingerissen Kühlerschlauch liegt, den ich aber notdürftig abdichten kann. In Palmas gibt es laut Dr. Google einen großen Mercedeshändler. Dort angekommen stehen wir vor einer Mercedes-Stations-Ruine. Zig Jahre scheint der Standort schon verlassen zu sein. Zum Glück befindet sich keine 200 Meter weiter ein Bosch-Dienst, der den passenden Schlauch besorgen kann und unsere kleine Problemstelle schnell beseitigt. Und noch besser, direkt dahinter befindet sich eine Firma mit dem Namen „König der Klimaanlagen“. Der Monteur hat es tatsächlich auf dem Kasten und nach gut einer Stunde Arbeit läuft unsere Fahrerklimaanlage wie eine Neue. Bei den aktuellen Temperaturen von täglich bis zu 40 Grad Celsius ist das wahrlich ein Glücksfall.
Palmas gefällt uns übrigens sehr gut. Die erst 1988 gegründete Stadt erinnert stark an Brasilia und ist schon 1990 zur Hauptstadt Tocantins benannt worden. Palmas verfügt über breite Straßenzüge, saubere Parkanlagen und angenehme Einkaufsmöglichkeiten. Und vor allem ein toll angelegtes Freizeitangebot entlang dem hier sehr breiten Ufer des Rio Tocantins. Hier machen wir für 3 Tage Pause, genießen die relaxte Atmosphäre, die zahlreichen öffentlichen, kostenlosen Sanitärstationen mit Duschen und Toiletten, und am Abend die sehr schönen Bars und Restaurants, jeden Tag mit guter Livemusik. Unser Plan, im weiter südlich gelegenen „Porto Nacional“ den Rio Tocantins zu überqueren, wird jäh und erst unmittelbar vor der großen Brücke von einem Schild mit einer Höhenbeschränkung von 2,70 Meter gestoppt. 50 km zurück nach Palmas und dort über die Brücke? Nein danke! Wir fahren einfach mal geradeaus weiter und schauen, wo wir da landen. Die Straße bleibt überraschenderweise gut geteert, ohne Löcher und kaum befahren. Wir durchqueren eine sehr schöne Landschaft und enden schließlich im „Parque Nacional da Chapada dos Veadeiros“. Die Saison ist bereits beendet und die Campingplätze geschlossen. Auf Nachfrage dürfen wir aber bei der Hotelanlage „Novo Portal do Beija-Flor“ übernachten. Eine wunderschöne Anlage mit einem sehr gut angelegten Trail durch einen hauseigenen Dschungelabschnitt des Parks. Wir sehen zwar weder den hier lebenden schwarzen Panther noch einen der Tapire, entdecken aber die ein oder anderen Spuren im Sand, die auf Tapire und Wildkatzen schließen lassen. Wir haben uns Barretos als nächstes Etappenziel ausgesucht. Claudia hat entdeckt, daß dort jedes Jahr das größte Rodeo Brasiliens stattfindet, und wie es der Zufall will, startet dieses Event gerade jetzt. Montagmittag ist allerdings ein relativ ungünstiger Zeitpunkt, um dort anzukommen, da die Hauptwettkämpfe am Wochenende stattfinden. So waren am letzten Wochenende die Vorausscheidungen und am nächsten Wochenende finden die Finale statt. Außerdem ist der Campingbereich nur für die kompletten 10 Tage zu buchen, was rund 240 Euro kosten würde. Da wir nur 2 Tage bleiben wollen, verzichten wir auf den schönen Platz im Rodeo-Areal und bleiben auf einem der allgemeinen Parkplätze stehen. Unter der Woche sind die regionalen Rodeo-Ausscheidungen und wir sind in einer relativ leeren Arena, um diese Wettkämpfe zu sehen. Die Qualität der Reiterinnen und Reiter ist trotzdem klasse. Die Bullriding-Wettbewerbe sind absolut aufregend und die Rodeo-Girls bei Barrel Racing beherrschen ihre Pferde für unseren Geschmack einfach perfekt. Uns beeindrucken die Wettkämpfe jedenfalls sehr und durch den Umstand, daß das Stadion wenig besucht ist, können wir auch Mia mit in die Arena nehmen. Außerhalb des Stadions sind zahlreiche Shops, Bars, Restaurants und einige Bühnen für die Live-Musik-Events. Hätten wir mehr Zeit, würden wir wohl die ganzen Tage auf dem Camping verbringen und uns alle Veranstaltungen ansehen. Wir haben in den letzten 3 Wochen den größten Teil der Strecke zur Grenze nach Bolivien hinter uns gebracht und benötigen mal ein paar Tage Pause. Der Campingplatz Seu Assis in der Nähe von Jardim im Bundesstaat „Mato Grosso do Sul“ wurde uns sehr empfohlen und als wir dort eintreffen sind wir die einzigen Gäste. Nur eine Gruppe Kapuzineräffchen sorgt hier für Unterhaltung. Doch schon am nächsten Tag gesellt sich der erfahrene Langzeitreisende Jupp in seinem Unimog zu uns. Gemeinsam mit Jupp geht es auf Fotosafari, um ein paar der schönen, großen Ameisenbären vor die Linse zu bekommen. Am ersten Tag sind wir nicht recht erfolgreich und kehren lediglich mit Aufnahmen des Sonnenuntergangs zum Mobil zurück. Am nächsten Tag sieht das dann schon ganz anders aus. Jupp ist mit perfektem Equipment ausgestattet, um die besten Bilder und Videos der hiesigen Tierwelt zu machen. Gemeinsam mit Claudia gehen die Beiden auf die Pirsch, während ich mit dem Fahrrad die Gegend nach Ameisenbären absuche und dann die Fotografen zu mir rufe. So sehen wir am späten Nachmittag 4 große, schöne Tiere und kommen zu einigen tollen Schnappschüssen. Auf dem Weg zur Grenzstadt Corumba fahren wir durch das südliche Pantanal und entscheiden uns spontan zu einem Aufenthalt bei der Hotelanlage „Passo do Londra“. Wir waren vor zwei Jahren schon einmal hier und es hat uns dort sehr gut gefallen. Diesmal sind wir die einzigen Besucher und wir sind vom niedrigen Wasserstand des Flusses überrascht. Nichtsdestotrotz ist die Tierwelt des Pantanals hier gut zu beobachten und für uns noch einmal eine schöne Abwechslung, bevor wir in Corumba über die Grenze fahren und endlich mal das Land besuchen, von dem uns viele Reisende schon vorgeschwärmt haben, Bolivien. Daß das dann doch wieder nicht klappt, erzählen wir euch im nächsten Bericht.
<<< letzter Bericht --- nächster Bericht >>>