Argentinien XXV
Nach einer Nacht in Encarnacion geht es über die Grenze. Der Grenzübertritt dauert knapp über zwei Stunden und wir fahren gleich zu dem uns bekannten Übernachtungsplatz am Rio Parana auf argentinischer Seite. Bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen kommen wir keine 2 Kilometer und der Motor geht auf Notlauf, was bedeutet, der Turbo schaltet ab. Da wir nun schon mal in einer Großstadt sind, fackeln wir nicht lange und besuchen den örtlichen Mercedes-Service. Wieder erleben wir grobe Unlust einer Mercedes Werkstatt, sich um unseren Fall zu kümmern. Der Cheffe dieser Niederlassung sagt mir, es bestehe wegen Überlastung keine Chance, auch nur 5 Minuten aufzuwenden, um sich unser Problem näher anzusehen. Mein skeptischer Blick bringt ihn auf die Idee, es mir beweisen zu wollen. Er öffnet die Tür zur Werkstatt. Wir sehen 12 Arbeitsplätze, 8 davon mit Fahrzeugen belegt. Wir sehen an die 10 Mechaniker, die alle in einer Ecke der Serviceanlage hocken oder liegen, am Handy spielen, Musik hören, quatschen etc. - sie tun alles, bloß nicht arbeiten. Und es ist nicht etwa Pausenzeit. Schnell ist die Tür zur Werkstatt wieder geschlossen und der Cheffe ist nun ziemlich sauer. Meine Vermutung bezüglich dem Turboproblem ist ein defekter Druckwandler und ich sage dem Boss, ich möchte gerne auf Verdacht einen solchen kaufen und ihn selber einbauen. Doch der gute Mann gibt mir zu verstehen, daß er uns diesen schlichtweg nicht verkaufen will. So geht für uns der Weg erstmal ohne Turbo-Unterstützung langsam, am Rio Parana entlang und dann weiter bis Bella Vista, wo wir der momentanen Hitze etwas entfliehen können.
Mehrere auf unserer Route aufkreuzende Werkstätten werden angefahren. Immer mit dem gleichen Ergebnis..... die Mechaniker haben keine Zeit. Uns drängt sich irgendwie der Gedanke auf, daß mit dem abstürzenden argentinischen Peso die Menschen so wenig verdienen, daß jede unerwartete Zusatzarbeit von vorneherein abgelehnt wird. So führt uns der leistungsschwache Motor halt nur langsam voran, aber wir haben ja Zeit! Zeit genug, um ein paar Tage in verschiedenen Thermen zu pausieren und uns im warmen Thermalwasser zu erholen. Die beiden Bäder in La Paz und Maria Grande liegen kurz vor der Region Santa Fe. Wir haben Reisefreunde in Santa Fe und fragen dort mal nach, ob sie nicht einen Tipp hätten, wo wir unser Turboproblem untersuchen lassen können. Von Miguel erhalten wir die Adresse eines Experten speziell für Turboangelegenheiten in dem Ort Esperanza.
In Esperanza will der Chef der Turbowerkstatt mir erst klarmachen, daß sie keine Zeit haben. Ach, welche Überraschung! Was er aber noch nicht weiß.... ich habe schon in seiner Werkstatt geparkt, denn diese war offen und leer! So bemüht er dann doch seinen Arbeiter, kurz in das Fahrzeug zu schauen. Der Spezialist baut innerhalb von 2 Minuten den Druckwandler aus und testet ihn in der Werkstatt. Ergebnis: er ist defekt. Ein neuer Druckwandler wird bestellt und wir müssen bis zum nächsten Tag warten. Wir parken im „Parque de la Agricultura“ und genießen den sonnigen Tag bei Spaziergängen durch den Park. Am nächsten Morgen wird das defekte Teil schnell getauscht und mit einem funktionierendem Turbo geht die Fahrt weiter in westlicher Richtung.
Claudia entdeckt ein Auto-Museum in einem Ort etwas Abseits der RN 19, das mein Interesse weckt. Ohne große Erwartung fahren wir nach „Zenon Pereyra“ und parken direkt vor dem Museo „Bucci“. Es ist Samstag. Das Museum hat nur am Wochenende geöffnet, macht erst um 15 Uhr auf und wir müssen noch warten. Der kleine Ort ist wie ausgestorben und meine Erwartungshaltung sinkt immer mehr. Um 15 Uhr stehen wir auf der Matte und sind, wie zu erwarten, die einzigen Besucher. Doch kaum sind wir im ersten Raum angekommen, bin ich schon mal überrascht. Denn wie wir erfahren, waren mehrere Mitglieder der Familie Bucci im Autorennsport als Fahrer und Konstrukteure aktiv. Und in diesem Museum hier sind nur ein paar Fahrzeuge ihrer Privatsammlung. Aber die haben es in sich!
Im zweiten Raum bin ich dann vollends geplättet. Drei(!) bullige Mercedes 300 SL Rennfahrzeuge stehen hier aufgereiht, als würde das Rennen gleich gestartet werden. Für Jemanden, der schon seit der Jugend für den 300 SL schwärmt, eine extreme Überraschung. Ich überschlage kurz den Wert der 3 Autos und kann es nicht fassen, daß hier weder Security-Mitarbeiter noch jede Menge Überwachungskameras zu sehen sind. Ich checke kurz die Türen und Schlösser und entdecke keinerlei Sicherheit für diese Prunkstücke.
In Raum 3 kann man sich von dann ein Bild von der Autokonstruktionsidee der Buccis machen. Der Dogo 2000, umgesetzt im Jahr 1969, sowie der Bucci Special 2013 sind zu ihrer Herstellungszeit sicher eine Besonderheit gewesen. Mit beiden Boliden hätte ich gerne mal eine Runde gedreht.
Zurück in Raum 1 kann ich mich kaum vom schönsten aller Fahrzeuge trennen. Wann bekommt man schon mal einen Mercedes 300 SL Flügeltürer zu Gesicht? Was für ein Traum auf 4 Rädern! Beim Verlassen des Museums muß ich dann noch einmal mit einer der Angestellten reden, um eventuell zu erfahren, wie denn die Sicherheitsvorkehrungen sind, wenn das Museum geschlossen ist. Nun, sie erklärt mir, daß es sich bei allen Fahrzeugen um Replikas handelt. Das tut meiner Begeisterung nun wirklich keinen Abbruch mehr, denn die Qualität der Nachbauten war schon sehr beachtlich. Und somit hat sich der kleine Abstecher nach Zenon Pereyra auf jeden Fall gelohnt.
Wir wollen ein paar Tage Pause am Rio Tercero einlegen. Der riesige Stausee ist ein großer Anziehungspunkt für argentinische Touristen aus dem ganzen Land und bietet viele Grünanlagen und Unterkünfte. Auch für Wohnmobile gibt es zahlreiche Möglichkeiten, einen Übernachtungsplatz mit Blick auf den See zu finden. Wir stehen jeden Tag an einem anderen Platz und machen viele Spaziergänge am See oder durch die Pinienwälder im Hinterland.
Nach 5 Tagen in der Umgebung des Ortes „Embalse“ wechseln wir nur die Seite am Rio Tercero und fahren zu dem uns schon bekannten Stellplatz bei Balneario Rumipal. Bereits zum dritten Mal verschlägt es uns an diesen schönen Platz am „Playa de los Alemanes“, direkt am Stausee Rio Tercero. Wir haben keine Ahnung, warum der Strand so benannt wurde! Vielleicht hat es ja mit den vielen Deutschen zu tun, die hier in der Provinz Cordoba wohnen.
Wie zum Beispiel in dem nur 30 km entfernt liegendem Ort „Villa General Belgrano“. Hier haben sich einige der Soldaten, die während des 2. Weltkrieges im Jahr 1939 im Hafen von Montevideo das Kriegsschiff „Graf Spee“ versenkt haben, niedergelassen. Damit sich viele Touristen hierher verirren, hat man den Stadtkern in bayerischem Ambiente gestaltet. Oder sagen wir mal.... in das, was der Südamerikaner unter bayerischem Ambiente versteht. Die Hoffnung auf eine gute, bayerische Mahlzeit in einem der zahlreichen Restaurants mit deutschen Namen, begraben wir schnell. Vor zwei Tagen endete hier das Oktoberfest, daß jedes Jahr für 5 Tage über 200.000 Touristen in die 6.000 Seelengemeinde lockt. Die deutschen Besitzer vom Campingplatz sind noch erkennbar „erholungsbedürftig“.
Drei Tage in Villa General Belgrano sind mehr als genug. Knapp 160 km weiter liegt der Ort „Nono“. Wir kennen hier einige Übernachtungsmöglichkeiten und legen eine Pause ein. In dem netten Ortskern von Nono gibt es neuerdings ein Sushi-Restaurant, daß wir gerne mal testen wollen. In den alten Gemäuern eines etablierten Restaurants hat die jüngere Generation der Familie die Idee umgesetzt, mit Sushi mehr Gäste in das Lokal zu locken. Und wir sind überrascht! Das Ambiente ist schön, die Gastwirtsfamilie äußerst nett und die Sushi ausgezeichnet.
Kein Halt in Nono ohne den Besuch des Museum „Rocsen“! Immer wieder verblüffend. Man fährt in der absoluten Pampa, alleine auf einer abgelegenen Schotterpiste. Und dann kommt dieses Museum ins Blickfeld, mit seinen 49 Statuen, gemauert in die gesamte Front des Gebäudes. Wir parken wieder neben der Statue des wohl berühmtesten Nürnbergers Albrecht Dürer, der hier neben Kepler und Leonardo Da Vinci platziert ist, und zahlen die 3,60 Euro Eintritt pro Person für dieses verrückteste aller Museen in Argentinien. An die 60.000 Gegenstände unterschiedlichster Art sollen hier ausgestellt sein und man ist schon nach einer Stunde absolut erschlagen von dem, was man bis dahin ansehen konnte. Wir verlassen Rocsen wieder einmal mit der Erkenntnis, daß wir nur einen kleinen Bruchteil der Sammelwerke des Franzosen „Juan Santiago Buchon“ gesehen haben.
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