Dawson Creek, die Stadt am Beginn des Alaska Highways. Ein beflaggter Pfosten, der Mile Zero Post, steht auf der Hauptstraße und markiert die Meile 0. Jetzt betreten auch wir den berühmten Highway nach Alaska, der noch heute vom legendären Ruf früherer Tage zehrt. Aus der abenteuerlichen Piste ist aber zwischenzeitlich eine gut ausgebaute und asphaltierte Straße geworden.
Nach kurzer Fahrzeit erreichen wir die Recreation Area am Inga Lake, wo wir die Bekanntschaft von Dale Graham machen. Nach längerer Unterhaltung kommt er auf seine vielen Narben zu sprechen, die ihm ein Grizzly vor 15 Jahren zugefügt hat. Er hat die Geschichte in einer nicht veröffentlichten Broschüre niedergeschrieben, von der wir ein Exemplar zur Nachtlektüre bekommen. Er erzählt darin spannend und faszinierend zugleich, wie es zu dem Grizzlyangriff kam und wie er ihn überleben konnte. Ein komplettes Schutzengelkommando war nötig, um ihn aus dem Angriff der Grizzlymutter entkommen zu lassen und ihn auch noch rechtzeitig in einem Hospital wieder zusammenflicken zu können. Die tiefen Bißwunden haben bei dem mittlerweile knapp 70 jährigen Dale am ganzen Körper unzählige Narben hinterlassen, aber seinen Humor hat er nicht verloren.
Weiter geht die Fahrt durch unendliche Wälder und Farmland. Ortschaften sind kaum anzutreffen und nur in großen Abständen gibt es Tankstellen mit Kiosk und ein paar wenigen Häusern dazu. Erst nach Fort Nelson, einem ehemaligen Pelzhandelsposten, wird die Strecke zunehmend interessanter. Die ersten Caribous entdecken wir am Straßenrand und Dallschafe verursachen einen kleinen Stau. Sie laufen gemütlich über die Fahrbahn, ohne jede Scheu vor Autos oder Trucks. Am türkisfarbenen Muncho Lake treffen wir seit langem wieder einmal auf deutsche Reisende. Uschi und Jürgen aus dem schönen Frankenland sind schon seit 16 Jahren mit kurzen Unterbrechungen unterwegs und die Lust am Reisen steckt ihnen noch immer im Blut. Wir sitzen abends zusammen und lauschen ihren faszinierenden Erzählungen aus nahezu jedem Staat in Südamerika. Unsere Vorfreude auf diesen Teil unserer Reise wächst von Stunde zu Stunde und wir notieren uns eifrig die vielen Ratschläge der Beiden. Als nächstes Ziel peilen wir die Liard River Hot Springs an. Schön eingebettet in einem Farnwald liegen die Naturbecken, deren heiße Quellen mit einer Temperatur von 42 und 52 Grad zum hineinspringen einladen. Doch nach gut 20 Minuten in den brodelnden Becken sind wir komplett durchgekocht. Noch sind es ein paar Kilometer bis Watson Lake. Freilebende Bisons sorgen in diesem Streckenabschnitt immer wieder für Spannung und Abwechslung. Watson Lake, das Tor zum Yukon, begrüßt am Ortseingang mit Tausenden von Schildern. Der zwischenzeitlich auf über 69.000 angewachsene Schilderwald des Sign Post Forest wurde 1942 von einem heimwehkranken US Soldaten gestartet, der den Anstoß zu dieser Sammlung gegeben hat. Auch wir hinterlassen hier unsere Spur und schrauben unser Kennzeichen an einen Pfosten. Zwischenzeitlich sind wir über 10.000 Kilometer gefahren und Alaska ist noch immer nicht erreicht. Großbaustellen stoppen immer wieder unser Vorankommen. In Kanada bringt meist ein Pilotfahrzeug die Kolonne auf staubiger Piste sicher durch die Baustelle. Große Augen machen wir allerdings, als drei ausgewachsene Bisonbullen in Einheitsstellung an der Baustelle liegen, sich den Staub ums Fell wedeln lassen und Touristenwatching betreiben. In Whitehorse angekommen besichtigen wir den historischen Schaufelraddampfer S.S. Klondike. Zu Zeiten des Klondike-Goldrausches konnte man damit auf dem Yukon River bis in die Goldgräberstadt Dawson City fahren. Genau dort wollen auch wir hin. Für uns geht der Weg von Whitehorse nach Dawson City über den Klondike Highway. Auf halbem Weg treffen wir Martina und Nicole, die uns aus Dawson City entgegen kommen. Sie erzählen uns von einer Komplettsperrung des „Top of the World Highway“, der von Dawson City nach Alaska führt. Nachdem mehrere Teile der Straße weggespült worden sind und es dort nach wie vor in Strömen regnet, ist die Dauer der Reparaturen noch unabsehbar und wir beschließen gleich wieder zurückzufahren, um die Grenze nach Alaska bei Beaver Creek zu überqueren. Zuvor machen wir aber noch im Kluane Nationalpark bei sonnigem Wetter zwei sehr schöne Wanderungen. Am ziemlich anstrengenden Sheep Creek Trail erleben wir eine tolle Landschaft mit Blick auf die Gletscher und die Strapazen des Aufstieges sind schnell vergessen. Bei der Suche nach einem schönen Stellplatz werden wir am Kluane Lake fündig. Dort treffen wir Sabine und Theo, die auch mit ihrem eigenen Wohnmobil durch Mittel- und Nordamerika reisen. Als dann Nicole und Martina auch noch dazu kommen, lassen wir gemeinsam den Abend gemütlich am Lagerfeuer ausklingen. Der Platz am Kluane Lake gefällt uns so gut, daß wir noch einen Tag dranhängen und mit Martina und Nicole angeln, grillen, am Lagerfeuer sitzen und quatschen, quatschen, quatschen bis tief in die Nacht.
Unser erster frischer Lachs
Kurz vor dem Grenzübertritt nach Alaska übernachten wir in der Nähe von Beaver Creek und bekommen dort unseren ersten, fangfrischen Lachs. Allerdings nicht gekauft oder etwa gar selbst geangelt – nein – er ist sozusagen vom LKW gefallen. Was im ersten Moment noch leicht kriminell klingt ist aber ganz legal abgelaufen. Auf der Strecke von Beaver Creek nach Kluane Lake ist ein LKW von der Straße abgekommen und hat seine Fracht von 2.500 Pfund Lachs in den Straßengraben gelegt. Während wir beim Vorbeifahren die Lage noch komplett falsch einschätzten, haben Nicole und Martina besser reagiert und sind sofort auf die Bremse getreten. Der „Fangerfolg“ waren drei große, bereits ausgenommene und auf Eis gebettete Lachse, von denen wir einen ins Gefrierfach legen konnten und einen mit Nicole und Martina zum Abendessen genießen durften.
Jetzt ist es auch nicht mehr weit bis Alaska und wir sind schon ganz gespannt, was hier so alles auf uns wartet.